< Winterfütterung - ja oder nein?
Eine Amsel an einem roten Futterhaus im Winter bei Schneefall

Ab wann füttere ich Vögel im Winter?

Jedes Jahr im Winter stellt man sich die Frage erneut: „Vogelfütterung im Winter? Ja oder nein? Greife ich als Mensch damit unzulässig in die Natur ein und verhindere so beispielsweise die natürliche Auslese von schwachen oder kranken Vögeln?“

Ist eine Winterfütterung sinnvoll?

Man kann obige Frage zwar mit „Ja“ beantworten und die Meinung vertreten, eine Fütterung der Vögel verhindere, dass nur die starken und gesunden Tiere überleben. Dabei wird aber übersehen, dass der Mensch vielfach an derer Stelle in die Natur eingreift, und dies leider oft nicht zum Wohle der Natur.

Durch bauliche Großprojekte werden Vögeln nicht selten viel Lebensraum und damit auch Futterquellen weggenommen. Dadurch, dass der Mensch viele Wald- und Feldgebiete zerstört bzw. bebaut hat, ist auch die ursprüngliche Nahrungsgrundlage für bestimmte Vogelarten weggefallen. Es kam dadurch zu einer Artenverarmung und Abnahme der Insektenanzahl. Ein weiterer Grund wieso es immer weniger Körner, Beeren, Wildkrautsamen und andere Früchte sowie Insekten, deren Eier, Larven und Puppen gibt, ist der zunehmende Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur gerecht und auch sinnvoll, der Natur und den Vögel etwas zurückzugeben - nämlich durch eine artgerechte Fütterung.

Werden die Vögel durch die Fütterung unselbständig?

Von dem Irrglauben, dass durch die Fütterung eine Abhängigkeit der Tiere entstehe, kann sich nach Angaben von Prof. Dr. Peter Berthold (weltweitführender Ornithologe und bis 2004 Direktor der Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Ornithologie) in seinem Buch „Vögel füttern, aber richtig“ jeder Mensch selbst durch die „bloße“ Beobachtung der Vögel kurieren. Berthold stellt anhand wissenschaftlicher Studien fest, dass selbst bei strengem Winterwetter nur ein Teil der Nahrung von den Vögeln an den Futterstellen aufgenommen wird und die Vögel weiterhin viel Zeit darauf verwenden auch nach „natürlicher“ Nahrung zu suchen.

Beginn und Ende der Winterfütterung, das „richtige“ Futter und Gestaltungsmöglichkeiten der Futterstellen

Beginnen sollte man mit der Winterfütterung nach Angaben von Prof. Dr. Peter Berthold bereits im September, also im Spätsommer, lange vor dem eigentlichen Wintereinbruch. Denn die Jungvögel, die meistens zu dieser Zeit schon ausgeflogen und auf der Suche nach geeigneten Überwinterungsplätzen sind, können sich so bereits jetzt die Futterstellen merken und sich dementsprechend in der Nähe dieser Futterkrippen ansiedeln. Der Wissenschaftler empfiehlt eine kontinuierliche Fortfütterung der Vögel – auch bei milden Wintern – bis zum Beginn der Brutzeit, also bis April, Mai oder Anfang Juni. Denn gerade im Frühjahr ist das Angebot an Samen und Insekten entsprechend begrenzt und wird durch die Rückkehr der Zugvögel weiterhin limitiert.

Das „richtige“ Futter für Vögel sind nicht nur bloße Abfälle des Menschen, sondern man sollte gutes Qualitätsfutter darreichen. Bei der Gestaltung der Futterstellen gibt es für den Menschen viele Möglichkeiten.

Regelmäßige Fütterung? Was tun bei eigener Abwesenheit?

Eine kontinuierliche Fütterung durch den kompletten Winter hindurch wird von Prof. Dr. Peter Berthold empfohlen. Auch bei eigener längerer Abwesenheit aufgrund z.B. eines Urlaubes oder einer Dienstreise müssen die Vögel keinen Hunger leiden oder sich eine neue Nahrungsquelle suchen, wenn man Futterspender mit Vorratsfach bzw. Vogelhäuser mit Silo als Nahrungsquelle wählt.

Welchen Nutzen habe ich als Mensch von der Vogelfütterung?

Von der Vogelfütterung profitiert allerdings nicht nur die Vogelfamilie, sondern auch der Mensch. Eine Winterfütterung führt beim Menschen zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit der Natur, dem uns umgebenden Lebensraum, was v.a. für Kinder und die Entwicklung ihres Sozialverhaltens förderlich ist. Ein Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt wird geweckt und durch „lebendigen Anschauungsunterricht“ können Kinder für den Naturschutz begeistert werden. Das passive, rezipierende Medium „Fernsehen“ kann so durch eine „aktive“, eigengestalterische und lebensnahe Beschäftigung mit Lebewesen „zum Greifen nah“ abgelöst werden.

Aber nicht nur für Kinder bietet eine Winterfütterung Vorteile. Auch für ältere Menschen, wie Senioren und Rentner, oder chronisch kranke Menschen ist das Beobachten der Vögel am Futterhaus ein Gewinn und trägt zu ihrem gesundheitlichen Wohlbefinden bei. Veterinärmediziner Dr. Richard Schöne verweist in seinem Buch „Am Futterhaus. Vögel erleben im Jahresverlauf“ auf den psychohygienischen Effekt, der sich bei Untersuchungen in Altenheimen mit entsprechenden Vogelfutterstellen in Großbritannien herauskristallisiert hat. Das Ergebnis der Studien: Ältere Menschen zeigen bei einem (Blick-)Kontakt mit ihren „tierischen Freunden“ am Fensterbrett länger Interesse an ihrer Umwelt und bleiben länger selbstständig.

Abgrenzung zur Ganzjahresfütterung und zur Fütterung zur Brutzeit

Abgesehen von der Winterfütterung, die sich nur über den Zeitraum von September bis ins Frühjahr zur Brutzeit der Vögel erstreckt, gibt es noch die Möglichkeit der Ganzjahresfütterung. Dieses durchgehende Zufüttern im kompletten Jahresverlauf findet sich bislang vorwiegend in Großbritannien. In Deutschland besteht hier noch Nachholbedarf!